Notbehelfe der Nachkriegszeit: Aus einem Fallschirm wird ein Brautkleid

Jeden Monat stellen wir hier ein Objekt aus der Sammlung des Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen vor

Wenn Not erfinderisch macht

In der Nachkriegszeit waren Entbehrung und Improvisation allgegenwärtig. Vieles war Mangelware, an Luxus war kaum zu denken, und dennoch ließen sich viele nicht davon abhalten, Feierlichkeiten und Traditionen aufrechtzuerhalten.

Dieses Brautkleid aus Fallschirmseide zeigt eindrucksvoll die Kreativität, aus der Not etwas Neues zu schaffen. Sogenannte „Notkleider“ wurden in dieser Zeit aus den ungewöhnlichsten Materialien gefertigt: Fahnen, Decken oder eben Fallschirmseide dienten als Ersatz für kostbare Stoffe.

Eine tragische Liebesgeschichte

Im Jahr 1943 findet der junge Soldat Wolfgang Hergert weiße Fallschirmseide an der französischen Front und schickt sie als Geschenk an seine Verlobte Edith Gläser. Sie soll das Material nutzen, um sich ein Brautkleid daraus schneidern zu lassen.

Zwar wirkt das Kleid auf den ersten Blick fein und leicht, jedoch ist die sperrige und reißfeste Kunstfaser alles andere als angenehm zu tragen. Für die angehende Braut schmälert das jedoch in keiner Weise den Wert und die Bedeutung ihres einzigartigen Kleides.

Zur Vermählung der beiden kommt es leider nicht. Wolfgang Hergert fällt 1944 im Alter von 24 Jahren in Ostpreußen im Krieg – nur zehn Tage vor seiner geplanten Hochzeit. Fünf Jahre später, im Jahr 1949, trägt Edith Gläser das Kleid aus Fallschirmseide doch noch bei ihrer Hochzeit – mit Kurt Georg Borkeloh.

Die Sammlung Abresch  Erinnerungen lebendig halten

Dieses Objekt ist Teil der privaten Sammlung Abresch, die mehr als 2.000 Gegenstände aus Kriegs- und Nachkriegszeiten umfasst. Der 2024 verstorbene Weseler Dompfarrer Werner Abresch trug die sogenannten Notbehelfe über drei Jahrzehnte hinweg zusammen.

Die zu Gebrauchsgegenständen umfunktionierten Kriegs- und Rüstungsmaterialien erzählen von der Not, aber auch vom Erfindungsreichtum der Menschen in diesen Krisenzeiten. Aus Stahlhelmen wurden Siebe, aus Gasmasken Kochgeräte, aus Geschosskartuschen Vasen und Zünderdosen von Bomben wurden zu Kaffeemühlen.

Seit Sommer 2021 bildet das große Konvolut der Sammlung Abresch einen wichtigen Bestandteil der Sammlung des Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen.


„Wer wünscht schon Krieg? Wir haben genug davon in der Welt. Aber gerade deshalb: Jene Kräfte der Kreativität, des Erfindens, um zu leben und zu überleben, sie sind hochmodern. Was nach dem 2. Weltkrieg lebensnotwendig war, man kann das als frühes Recycling bezeichnen. Leben in Behutsamkeit. Auf allen Gebieten.“ Zitat von Werner Abresch