Symbolische Übergabe des Wohnküchenschrankes im Stil des Gelsenkirchener Barock.

– Gelsenkirchener Barock zieht ins Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen

Schlüsselübergabe: Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (links) und Präsidiumsmitglied und Sammlungsdirektorin Dr. Gabriele Uelsberg bei der symbolischen Übergabe des Gelsenkirchener Barock-Küchenschranks. © Stadt Gelsenkirchen / Gerd Kaemper

Der zwei Meter breite Schrank im Stil des Gelsenkirchener Barock stammt aus dem Jahr 1953 und stand jahrzehntelang in der Wohnküche einer Familie in Witten. © Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen

Ein Wohnküchenschrank im Stil des „Gelsenkirchener Barock“ aus dem Jahr 1953 wird die Sammlung des Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen bereichern. Am MuseumMobil-Sammelsamstag in Gelsenkirchen (12. November 2022) hat Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge den Schrank als Dauerleihgabe (symbolisch) an Dr. Gabriele Uelsberg und Prof. Heinrich Theodor Grütter vom Präsidium der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen übergeben.

Mit der Dauerleihgabe erhält das künftigte Museum ein eng mit der Gelsenkirchener Stadtgeschichte verbundenes Exponat, in dem sich zugleich ein bedeutender Teil der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte NRWs widerspiegelt.

„Wir freuen uns sehr, dass dieses wunderbare Möbelstück des Gelsenkirchener Barocks aus den frühen 1950er Jahren, das zugleich für die Zeit des Wirtschaftswunders in Nordrhein-Westfalen steht, nun als Dauerleihgabe Teil unserer Sammlung zur nordrhein-westfälischen Landesgeschichte wird“, sagte Präsidiumsmitglied und Sammlungsdirektorin Dr. Gabriele Uelsberg.

Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge ergänzte: „Gelsenkirchener Barock: Was lange als Kitsch galt und belächelt wurde, ist heute museumswürdig.“

Ab Anfang der 1930er Jahre hat der Küchenschranktypus im Stil des Gelsenkirchener Barock die Wohnküchen von Arbeiter- und Kleinbürgerhaushalten in ganz Deutschland erobert. Nach jahrzehntelanger entbehrungsreicher Notmöblierung waren diese Haushalte nun zu etwas Wohlstand gekommen. Die wuchtigen, nussbaumfurnierten, mit zahlreichen Schwingungen und Schnitzereien verzierten Schränke kamen dem Wunsch eines bürgerlichen Wohnstils entgegen. Außen barockig rund, innen waren sie funktional mit Brotfach, Kühlfach oder Glasschütten für Mehl und Zucker ausgestattet. Hochwertige Modelle hatten verspiegelte Barfächer, später sogar elektrische Kühlfächer.

Gelsenkirchener Barock als landesweit verbreitetes Phänomen

Warum der Name des Schranktypus so eng mit der Stadt Gelsenkirchen verbunden ist, ist bis heute übrigens nicht ganz klar. „Gesichert ist jedoch, dass dies nichts mit Geschmacksfragen oder gar mit Gelsenkirchener Geschmacksverirrungen zu tun hat, denn der Gelsenkirchener Barock war ein landesweit verbreitetes Phänomen“, erklärte Wiltrud Apfeld, Kuratorin der städtischen Sammlung „Gelsenkirchener Barock“, anlässlich der Übergabe des Schrankes.

„Möglicherweise hat die Symbiose ganz im Gegenteil mit der besonderen wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Gelsenkirchen zu tun, die in den 1920er- und 1930er-Jahren zu den großen prosperierenden Industriestädten gehörte. Gelsenkirchen stand für Fortschritt und Erfolg und auch die Schränke im Stile des Gelsenkirchener Barock standen für Wohlstand und gesellschaftlichen Aufstieg,“ so Apfeld weiter.

Jahrzehntelang stand der Schrank in der Wohnküche einer Familie in Witten

Der von der Stadt gemeinsam mit der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen als Leihgabe ausgewählte Schrank ist ein typisches Beispiel für den Möbelstil des Gelsenkirchener Barock und stammt aus der lippischen Möbelindustrie. Er wurde 1953 von der Firma G. Müller in Elverdissen bei Herford hergestellt. Bis heute sind die zahlreichen Firmen in der Gegend um Herford, Lage und Lohne führend in der Küchenherstellung. Über viele Jahrzehnte wurden dort einfache Kiefernschränke,  dann Schränke im Stil des Gelsenkirchener Barock, später moderne Einbauküchen produziert.

Das zwei Meter breite Möbelstück stand jahrzehntelang in der Wohnküche einer Familie in Witten, bis es im Frühjahr 1991 für die Ausstellung zum Gelsenkirchener Barock vom damaligen Städtischen Museum angekauft wurde. Den barocken Charakter des Möbels prägen glänzend poliertes Nussbaumfurnier, Messinggriffe und -beschläge, aufgeleimtes Knorpelwerk zur Betonung von Kanten und Rundungen sowie Goldschnitt in den Vitrinenscheiben. Ausgestattet ist der Schrank mit einem Kühlfach mit regelbarem Lüftungsschlitz im Unterschrank sowie einer ausziehbare Ablage zum Schneiden von Brot.

Der in die Jahre gekommene Schrank wird nun umfassend restauriert und sich dann auf die Reise nach Düsseldorf in das künftige Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen machen.

Schlüsselübergabe: Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge (links) und Präsidiumsmitglied und Sammlungsdirektorin Dr. Gabriele Uelsberg bei der symbolischen Übergabe des Gelsenkirchener Barock-Küchenschranks. © Stadt Gelsenkirchen / Gerd Kaemper

Der zwei Meter breite Schrank im Stil des Gelsenkirchener Barock stammt aus dem Jahr 1953 und stand jahrzehntelang in der Wohnküche einer Familie in Witten. © Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen